Arbeitsverhältnisse können nicht nur durch Ausspruch einer Kündigung enden: auch ein Aufhebungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann ein Arbeitsverhältnis wirksam beenden.
Damit der Aufhebungsvertrag tatsächlich Wirkung entfaltet, muss er schriftlich geschlossen werden. Ist der Aufhebungsvertrag einmal unterschrieben, sind die Möglichkeiten, sich von dem Aufhebungsvertrag wieder zu lösen, allerdings äußerst eingeschränkt. Dieser Schritt will deshalb gut überlegt sein.
Anfechtung des Aufhebungsvertrags im Arbeitsrecht
Will man sich von einem unterzeichneten Aufhebungsvertrag wieder lösen, kommt in erster Linie die Anfechtung des Aufhebungsvertrages in Betracht. Das gilt jedoch nur, wenn eine Partei – in der Regel der Arbeitnehmer –, durch Irrtum, Täuschung oder Drohung zum Abschluss des Aufhebungsvertrages verleitet wurde.
Die Anforderungen, einen Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht wirksam anzufechten , sind jedoch hoch. Hinzu kommt, dass derjenige, der den Vertrag anfechten will, im gerichtlichen Verfahren beweisen muss, dass die Voraussetzungen dafür auch tatsächlich vorliegen.
Gebot des fairen Verhandelns bei Vertragsverhandlungen
Eine von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Voraussetzung für den wirksamen Abschluss eines Aufhebungsvertrages im Arbeitsrecht ist, dass das Gebot des fairen Verhandelns eingehalten wurde. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat das in einer Entscheidung aus dem Jahre 2019 betont.
Das Gebot fairen Verhandelns ist nach der Rechtsprechung des BAG eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag. . Ein Verstoß dagegen ist anzunehmen, wenn im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners unzulässig beeinflusst wird.
Das kann u.a. der Fall sein, wenn bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wurde, die eine freie Entscheidung des Verhandlungspartners ausschließt oder erschwert. Das gleiche gilt, wenn eine erkennbare körperliche Schwäche oder z.B. mangelnde Sprachkenntnisse ausgenutzt werden. Auch wenn ein Verhandlungspartner – meist der Arbeitgeber – eine Überraschungs- bzw. Überrumpelungssituation schafft oder ausnutzt, kann das eine unzulässige Beeinflussung des Vertragspartners und ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns sein.
Folge eines solchen Verstoßes: ein Aufhebungsvertrag, der unter derartigen Umständen zustande gekommen ist, ist unwirksam!
Der Fall vor dem BAG (Urteil v. 07.02.19, Az.: 6 AZR 75/18)
Dem vom Bundesarbeitsgericht im Jahre 2019 konkret entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Lebensgefährte der Arbeitgeberin suchte eine erkrankte Arbeitnehmerin in ihrer Privatwohnung auf. Dort verlangte er vor ihr, einen ihr vorgelegten Aufhebungsvertrag für ihr Arbeitsverhältnis sofort zu unterzeichnen. Dafür musste die zunächst noch schlafende Arbeitnehmerin von ihrem Sohn geweckt werden. Zusätzlich stand die Frau unter dem Einfluss von Schmerzmitteln, als sie den Vertrag dann schließlich wie verlangt unterzeichnete.
Das Bundesarbeitsgericht sah in diesem Vorgehen des Lebensgefährten einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns und wies die Sache zur abschließenden Prüfung an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zurück.
Ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns kommt hier unter zwei Gesichtspunkten in Betracht. Das Aufsuchen der Arbeitgeberin in der Wohnung dürfte im Hinblick auf den Ort der Vertragsunterzeichnung die Schaffung einer Überraschungs- bzw. Überrumpelungssituation darstellen. Darüber hinaus wird man von der Ausnutzung einer körperlichen Schwäche infolge Erkrankung ausgehen müssen.
Auch der Umstand, dass die Arbeitnehmerin keine hinreichende Bedenkzeit hatte, könnte ein Anknüpfungspunkt für ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns sein. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht hierzu betont, dass die fehlende Bedenkzeit allein noch nicht ausreichend für einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns sei.
Konsequenzen für die Praxis: Kritische Prüfung der Verhandlungssituation
Zur Beurteilung der Frage, ob ein Aufhebungsvertrag wirksam zustande gekommen ist, wird künftig die Verhandlungssituation, die zum Abschluss des Aufhebungsvertrags führte, einer kritischen Prüfung zu unterziehen sein.
Dabei sind sämtliche Umstände im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu untersuchen, insbesondere Ort und Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen sowie weitere Begleitumstände, die sich auf die Entscheidungsfreiheit eines Vertragspartners auswirken können.